Zugegeben, es ist schon ein kleines Wagnis, sich bei einem fremden Menschen ins Auto zu setzen. Der Fahrer könnte sich schließlich als verkappter Formel-1 Pilot oder ängstlicher Fahranfänger entpuppen. Als Mitfahr-Neuling geht man verständlicherweise mit einer gehörigen Portion Skepsis an die ganze Sache heran. Man hört sich im Freundeskreis um, die Antworten sind jedoch in der Summe nicht sehr hilfreich: Von „die Zeit verging wie im Flug“ bis „oh Gott, nie wieder“ ist alles dabei. Ich habe den Schritt dennoch gewagt und kann, zumindest bis jetzt, eindeutig sagen: Es lohnt sich.
Im Moment pendle ich, ein 21 Jahre alter Student, sehr häufig von München nach Karlsruhe und zurück. Das sind rund 300 Kilometer. Bevor ich zum Mitfahrer geworden bin, war der Bus meine bevorzugte Reisemethode. Die Busse haben nur einen großen Nachteil: Sie sind langsam. Für die 300 Kilometer braucht der Fernbus bei optimalen Verkehrsbedingungen mehr als vier Stunden. Die Fahrt zieht sich durch mehrere Haltestopps und ein Durchschnittstempo von 100 km/h merklich in die Länge.
Ankunft am Karlsruher Bahnhof ist am Freitagabend kurz nach 23 Uhr. Kaum daheim angekommen, muss die Rückfahrt gebucht werden, da freie Plätze schnell weg sind. Am Sonntag um 18 Uhr geht es schon wieder zurück nach München. Für eineinhalb freie Tage bin ich also rund neun Stunden unterwegs.
Schnell wurde mir klar: Eine Alternative muss her. Dem Rat meiner Freundin folgend, begann ich mich nach Mitfahrgelegenheiten umzusehen. Tatsächlich wurde ich fündig. Gleich vier verschiedene Fahrer fuhren „meine“ Strecke - für gerade einmal 15 Euro. Da die Auswahl groß war, entschied ich mich für den Fahrer mit der besten Bewertung: Michael P. aus Karlsruhe, regelmäßiger Pendler. Nachdem ich mir sein Profil angesehen hatte, buchte ich die Fahrt mit einem einfachen Mausklick. Die Bestätigung von Michael kam innerhalb weniger Minuten per SMS.
Zwei Tage später wartete ich gespannt am vereinbarten Treffpunkt, dem Pasinger Bahnhof. Schnell machte ich die beiden anderen Mitfahrer aus und kam mit ihnen ins Gespräch. Ich erkundigte mich nach ihren Erfahrungen mit Mitfahrgelegenheiten und erhielt ein durchweg positives Feedback. Besonders interessant: Auch bei ihnen war die positive Bewertung des Fahrers ausschlaggebend.
Pünktlich auf die Minute holte uns Michael ab. Nach wenigen Minuten begann sich ein lebhaftes Gespräch zu entwickeln. Jeder stellte sich vor und schnell wurden ersten Verbindungspunkte entdeckt. Es stellte sich heraus, dass Michaels Freundin mit mir zur Schule gegangen war. Darüber hinaus hatten wir einen sich überschneidenden Freundeskreis. Beinahe zwei Stunden redeten wir über Schule, Studium und gemeinsame Bekannte. Ich war etwas überrascht, als ich das Straßenschild mit der Aufschrift „Karlsruhe – 15 km“ las. Nach einem Blick auf die Uhr wurde meine Verwunderung noch größer: 20:30 Uhr. 300 km in etwas mehr als zweieinhalb Stunden – keine schlechte Zeit.
Michael hatte in den Streckenabschnitten ohne Geschwindigkeitsbegrenzung ordentlich aufs Gas getreten. Darüber hinaus wurde die Fahrzeit durch die angeregte Unterhaltung wunderbar überbrückt. Seitdem fahre ich mit Michael etwa zwei Mal im Monat von München nach Karlsruhe und zurück.
Michael ist nicht die einzige angenehme Überraschung, die ich als Mitfahrer erlebt habe. Während einer Fahrt nach München, diskutierte mein Fahrer - ein rund 50 Jahre alter Ur-Bayer - mit mir über kulinarische Unterschiede. Der Mann konnte sich einfach nicht mit dem Geschmack der badischen Brezeln anfreunden. Als ich ihn nach dem Grund fragte, setzte er zu einer zehnminütige Lobrede auf seinen Münchner Bäcker an, sodass mir nichts anderes übrig blieb als ihm eifrig zuzustimmen. Seine Ausführungen schien ihn hungrig gemacht zu haben, denn nach einer kurzen Redepause brummte er ein wenig verträumt: „Sauguad“.
Sicherlich gibt es Menschen, die schlechte Erfahrungen mit Mitfahrgelegenheiten gemacht haben. Doch wer nicht unbedingt die günstigste Fahrt bucht, sondern auf die Bewertungsskala achtet, der kann komfortabel und günstig von A nach B gelangen. Meiner Meinung nach ist die Mitfahrgelegenheit besser als ihr Ruf - auch weil mir noch keine verkappte Formel-1 Piloten oder Schrottwagenfahrer begegnet sind. Ich hoffe, dass das so bleibt.