2012 verpasste der deutsche House- und Techno-DJ Wankelmut dem Ganzen noch etwas mehr Eindringlichkeit. Auf den Dancefloors der Nation tanzte man zu den Beats, die die herzzerreißende und fast weinerliche Stimme Avidans noch untermauerten. Neonlicht „meets“ Melancholie?
Die Kombination aus partywütigen Menschen und philosophischen Phrasen ging auf. Eine Studentin aus Bremen hat sich ganz besonders mit dem Song auseinandergesetzt. Julia Engelmann bezog sich beim 5. Hörsaal-Poetry-Slam in Bielefeld auf eben diese Textzeile. Im Juli 2013 konnte man der 21-jährigen Psychologie-Studentin dann auf youtube lauschen. Ein dreiviertel Jahr ist seitdem vergangen und auf dem Kanal hat sich einiges getan. Erst letzte Woche stellte man zum Erstaunen fest, dass Engelmann mit ihrem One Day / Reckoning Slam den Nerv der Zeit getroffen haben muss.
Knapp vier Millionen Menschen haben den sechsminütigen Clip inzwischen geklickt. „Ich, ich bin der Meister der Streiche, wenn es um Selbstbetrug geht, bin ein Kleinkind vom Feinsten, wenn ich vor Aufgaben stehe…“. So beginnt Julia Engelmann, die frühere RTL-Soap-Darstellerin („Alles was zählt“), ihren Slam. Was dann folgt ist eine Art Eigenreflektion par excellence. Zu viel nimmt sie sich vor, zu wenig kann sie in die Tat umsetzten. „Mein Leben ist ein Wartezimmer, niemand ruft mich auf…“. Vorsätze verstreichen, weil der Alltag einem ständig dazwischen funkt – so die Kritik der Slammerin. Und so holt Julia alle anderen mit ins Boot, denn wir alle haben eine viel zu lange Liste, derer wir nicht Herr werden.
Ihre Botschaft: Eine Art „Auf ins Leben – fertig – los !“. Während Asaf Avidan noch immer davon singt, „eines Tages an die Geschichten zu denken, die wir hätten erzählen können“, versucht Julia den lähmenden Konjunktiv zu entwirren. Sie will ihre Zuhörer zum Leben motivieren. Nimmt man die Videoaufrufe ihres Slams als Basis, könnte ihr das gelingen.
Julia Engelmann: One Day / Reckoning Text