urbanlife: Woher kommst du ursprünglich und wie bist du in Bogotá gelandet?
Ich bin in einer australischen Kleinstadt aufgewachsen, habe später in England gelebt und gearbeitet. Erstmals in Kolumbien war ich im Jahr 2001, als klassischer Backpacker. Da habe ich mich direkt in das Land verliebt. Im Jahr 2008 bin ich wieder nach Kolumbien gekommen, habe mich wieder verliebt, da ich meine jetzige Ehefrau getroffen habe. Inzwischen haben wir ein Kind und ich lebe nun seit vier Jahren hier.
urbanlife: Heute organisierst du die Graffiti-Tour durch Bogotá. Hattest du früher auch mal einen „normalen“ Beruf?
Ja, ich bin ausgebildeter Physiotherapeut. Aber ich war schon immer auch künstlerisch tätig. Meine Eltern waren Künstler, so bin ich mit der Kunst aufgewachsen und habe mich immer mit visueller Kunst beschäftigt. Das Streetart-Fieber hat mich aber erst hier so richtig gepackt.
urbanlife: Mal abgesehen von der Street- oder Urban Art Bogotás, was bedeutet dir diese riesige Stadt?
Ich mag Bogotá sehr. Ganz generell zum Beispiel die Kultur und die Menschen hier, die alle sehr freundlich und vor allem gastfreundlich sind. Dazu gibt es viel zu sehen und zu unternehmen, auch kulturell: gute Museen, Theater, Musik. Natürlich hat Bogotá auch seine Probleme, so wie die meisten anderen Großstädte. Der Verkehr, die Verschmutzung, Smog und so weiter. Aber ich mag es, hier aufzuwachen, die Berge, die die Stadt einrahmen, zu sehen und die kolumbianische Kultur zu erleben.
urbanlife: Wie beurteilst du denn die Sicherheitslage in Bogotá?
Mit der Sicherheit ist das natürlich so eine Sache, ich habe da gerade selbst schlechte Erfahrungen gemacht. Vor einem Monat wurde mir bei einem Raubüberfall in die Hand gestochen. Obwohl sich die Sicherheitslage enorm verbessert hat, ist das definitiv ein Thema. Aber ich denke, dass es Gewalt in jeder Stadt und in jedem Land gibt. Die Rolle, die die Medien hier diesbezüglich einnehmen, stört mich ein wenig. Die Nachrichten und viele TV-Magazine konzentrieren sich ausschließlich auf solche Delikte, obwohl hier so viel Gutes passiert, das berichtenswert wäre. Ich glaube, die internationalen Medien ticken ähnlich, was Berichte über Kolumbien angeht. Das Land und die Stadt sind es wert, kennengelernt und bereist zu werden. Da gäbe es so viel zu nennen, die Karibik und der spanische Kolonialstil Cartagenas, Trekkingtouren im Andenhochland, im Amazonas oder in Nationalparks. Es gibt so viel Schönes in Kolumbien, von dem nichts berichtet wird. Das ist schade. Und wenn man sensibel, aufmerksam und vorsichtig unterwegs ist, sollte einem im Urlaub in Kolumbien auch nichts passieren.
urbanlife: Wie kamst du auf die Idee mit der Graffiti-Tour in Bogotá?
Ich bin immer sehr viel gereist in meinem Leben, war in über 70 Ländern der Erde. In verschiedenen Ländern habe ich selbst bei solchen Touren als „Tourist“ mitgemacht, zum Beispiel in New York, Buenos Aires, London oder Miami. Als ich hier nach Bogotá kam, habe ich zunächst Englisch-Unterricht gegeben, da ich nicht als Physiotherapeut arbeiten konnte. Das hat mir aber nicht wirklich Spaß gemacht und ich überlegte, gemeinsam mit einem Graffiti-Künstler aus Vancouver, was man machen könnte. So ist die Idee entstanden, eine eigene Graffiti-Tour hier in Bogotá anzubieten. Damals gab es noch keine. Seit zweieinhalb Jahren machen wir das nun und sind schon recht erfolgreich damit.
urbanlife: Warum gibt es denn in Bogotá so eine enorme Menge an Street Art und Graffiti zu bewundern?
In Bogotá gibt es neben den schönen Seiten auch viele Probleme, Themen und Motive, die die Künstler inspirieren. Der Bürgerkrieg, der 50 Jahre andauerte, soziale Ungerechtigkeit, viel Armut. Da gibt es viel, was man in seinen Werken zum Ausdruck bringen kann. Dazu kommen natürlich noch die Themen der indigenen Gruppen, die aber auch alle oben genannten betreffen. Das ist das eine, was Bogotá so speziell macht. Das andere ist die gesetzliche Situation in Sachen Graffiti. Ich denke, Bogotá ist die toleranteste Stadt der Welt, was Streetart angeht. Man kann hier rechtlich nicht groß bestraft werden, wenn man eine Wand besprüht. Man wird weder eingesperrt – höchstens für ein paar Stündchen in der Arrestzelle – noch anderweitig bestraft. Diese Kombination erzeugt hier in Bogotá so eine einzigartige Streetart-Szene.
urbanlife: Bist du selbst aktiv in der Streetart-Szene?
Ja, ich arbeite meist mit Schablonen und bin auch viel hier in Bogotá aber auch international aktiv.
urbanlife: Kennst du die Künstler hier?
Klar, ich kenne viele der Künstler, deren Werke wir auf der Graffiti-Tour ansehen. Mit manchen bin ich inzwischen befreundet und ich frage sie, was sie auf ihren Wänden zum Ausdruck bringen wollen. Ich muss den Leuten bei der Tour ja auch etwas erzählen können.
urbanlife: Zurück zur Graffiti-Tour. Wann findet diese immer statt?
Die Tour findet jeden Dienstag, Donnerstag, Samstag und Sonntag statt. Um 10 Uhr morgens ist Treffpunkt am Plaza del Periodista in Bogotá, direkt an der Bolivar-Statue. Zweieinhalb Stunden geht es zu Fuß durch die Altstadt Bogotás und man erfährt viel über die lokalen Künstler und die Botschaften hinter ihren Bildern.